Tell Halaf Grabungsprojekt
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Grabungsstelle B

Dr. Jörg Becker

Grabungen am Nordhang
In der Kampagne 2010 wurden die Arbeiten am Nordhang fortgesetzt. Diese Arbeiten hatten dabei primär vorbereitenden Charakter, denn es galt zunächst hangabwärts die Einschwemmungen innerhalb des alten Grabungsschnitts bis zum gewachsenen Boden zu beseitigen.
Unmittelbar unter Rundbau 5 konnten dabei zwei weitere Bauschichten der Halaf-Zeit freigelegt werden, die rund 2,5 m hoch anstehen. Wenngleich aus den rotbraunen Schuttmassen die Binnenstruktur dieser Gebäude noch nicht freigelegt werden konnte, so hat es doch den Anschein, dass der große Rundbau 5 auf unmittelbar älteren Vorläufern errichtet wurde (Abb. 1).
Tiefer liegend konnten die Maueroberkanten einer älteren Bauschicht erfasst werden, die auf eine modifizierte Baustruktur schließen lässt, während ganz im Norden der gewachsene Boden mit dürftig erhaltenen Bauresten der ältesten Siedlungsperiode erreicht wurde.

Vorläufiges Resümée
Erstmalig konnten im Rahmen der neuen Ausgrabungen am Tell Halaf charakteristische Rundbauten der Halaf-Zeit freigelegt werden. Typisch sind hier v.a. entwickelte Rundbauten mit Schlüsselloch-förmigem Grundriss mit einem Durchmesser zwischen 3–7 m, wobei die größeren Rundbauten im Inneren verstärkt sind und ein Flachdach besaßen.
Neben der großen Anzahl bemalter Keramik gehören Terrakotten (Abb. 2) und Stempelsiegel zu den wichtigsten prähistorischen Funden.

Im Hinblick auf die Größe der prähistorischen Besiedlung sind aufgrund der massiven, späteren Überbauung dezidierte Aussagen zur konkreten Siedlungsgröße natürlich schwierig. Allerdings ist durch Vergleiche mit anderen Fundorten des Neolithikums und Chalkolithikums (z.B. Tell Sabi Abyad I oder Tepe Gaura) nicht zwangsläufig davon auszugehen, dass das gesamte Gelände der späteren Zitadelle eine einzige, rund 6 ha große, prähistorische Besiedlung darstellt. Siedlungsstrukturen des Neolithikums und Chalkolithikums in Nordmesopotamien sowie die Senke nördlich des Skorpionen-Tors lassen vielmehr vermuten, dass sich die prähistorische Besiedlung auf mehrere Kuppen verteilte und nach Verwandtschaftsgruppen gesiedelt wurde.

Wie keramische Untersuchungen zur Keramikproduktion nahelegen (Davidson 1977, vgl. Akkermans / Schwartz 2003: 138) dürfte aber die Besiedlung dennoch ein größeres Dorf repräsentieren, das im Khabur-Gebiet – neben Fundorten wie etwa Chagar Bazar und Tell Brak – als ein Produktionszentrum für bi- und polychrom bemalte Halaf-Keramik fungierte. Auch Obsidian aus Gebieten der Ost-Türkei dürfte hier ausgetauscht worden sein, so dass kleinere Weiler in der unmittelbaren Umgebung mit diesen Gütern versorgt werden konnten. Neben einem Austausch auf regionaler Ebene wurde aufgrund solcher Keramikuntersuchungen auch ein Austausch zwischen einzelnen Regionen (z.B. zwischen dem Khabur-Gebiet und dem Nordtigrisgebiet) abgeleitet, während die Masse der monochrom bemalten Keramik sicherlich lokal produziert wurde.
Hinweise auf charakteristische kleine Weiler finden sich im Bereich der späteren Unterstadt, so im Gebiet des „Stadt-Tempels“, des „Kultbaus“ oder in der östlichen Unterstadt (Bereich G) (Abb. 3) und entsprechen dem üblichen Siedlungsmuster mit zahlreichen Kleinsiedlungen und vereinzelten größeren Dörfern.

Wie zu erwarten, lassen innerhalb des wasserreichen und fruchtbaren Khabur-Gebiets botanische Reste auf eine entwickelten Ackerbau schließen (mündl. Mitt. Dr. Simone Riehl, Universität Tübingen). Belegt sind vor allem Emmer und Gerste, in geringerem Umfang auch Lein, Platterbse und zweikörniges Einkorn.

1Steinsetzung und Bebauung aus der Halafzeit (Foto: D. Vogel)
2Bemalte Terrakotten der Halaf-Zeit (Foto: L. Simons)
3Plan des Tell Halaf mit Hinweisen auf Halaf-zeitliche Besiedlungen im Bereich von Zitadelle und Unterstadt (Autor: J. Becker)