Tell Halaf Grabungsprojekt
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Eisenzeitl. Keramik

Dr. Uwe Sievertsen

Einführung
Die eisenzeitliche Keramik aus den syrisch-deutschen Grabungen am Tell Halaf kann in zwei größere Komplexe unterteilt werden. Der ältere umfaßt die vor- bis früharamäische Zeit und läßt sich grob ins ausgehende 2. und beginnende 1. Jt. v. Chr. einordnen. Der jüngere Komplex datiert in die neuassyrische bis spätbabylonische Zeit und deckt den Zeitraum vom 9.–6. Jh. v. Chr. ab. Aussagekräftige keramische Befunde der »Kapara-Zeit« (ca. 950–900 v. Chr.), die den Höhepunkt der aramäischen Siedlungstätigkeit auf dem Tell Halaf darstellt, sowie der Achämenidenzeit (spätes 6. bis spätes 4. Jh. v. Chr.) fehlen dagegen bisher noch.
Sowohl zur Keramik der aramäischen Epoche als auch zur Keramik der neuassyrischen und »postassyrischen« Zeit sind im Rahmen des Ausgrabungsprojekts detaillierte Formenkataloge erstellt worden. Sie werden beständig erweitert und sollen die Basis der Endpublikation der Eisenzeitkeramik vom Tell Halaf bilden.

Früharamäische Keramik
Keramische Assemblagen der vor- bis früharamäischen Zeit stammen zum einen aus dem östlichen und nördlichen Umfeld des West-Palastes (Hilani). Zwar hat eine Tiefgrabung gezeigt, dass sich die ältere Eisenzeit in diesem zentralen Teil der Ruine über einen längeren Zeitraum nachweisen läßt, doch handelt es sich bei den keramischen Fundstellen mehrheitlich um Aufschüttungen und Verfüllungen, die eine Rekonstruktion der keramischen Entwicklung am Übergang vom 2. zum 1. Jt. v. Chr. vorerst nur sehr eingeschränkt erlauben. Allerdings gibt es in diesem Bereich auch Gräber mit Keramik.
Eine feinteiligere stratigraphische Abfolge der vor- bis früharamäischen Zeit haben häusliche Baustrukturen am Nordhang der Zitadelle erbracht, die seit 2007 freigelegt werden. Gegenwärtig wird die zeitliche Korrespondenz der Bauschichten und Keramiksequenzen aus den beiden Grabungsstellen im Bereich des Hilani und am Nordhang genauer erforscht.
Generell handelt es sich bei der Keramik der vor- bis früharamäischen Zeit um eine grobe, stark häckselgemagerte Ware, deren Formenspektrum namentlich durch großformatige, nicht selten auch vergleichsweise dickwandige Töpfe und Schalen charakterisiert ist. Vereinzelt finden sich auch Bezüge zur assyrischen Keramiktradition. Zudem lassen sich Belege der aus Anatolien herrührenden »Rillenkeramik« anführen (Abb. 1).

Keramik der neuassyrischen bis »postassyrischen« Zeit
Umfangreiche keramische Inventare der neuassyrischen bis »postassyrischen« Zeit, die sich in Teilen rekonstruieren lassen, stammen zum einen aus dem Gebäude A 1 auf dem Lehmziegelmassiv im südlichen Teil der Oberstadt, das möglicherweise als Eliteresidenz zu sehen ist. Zum anderen kommen sie von mehreren aufeinander folgenden Fußbodenniveaus im Wirtschaftstrakt des Nordost- bzw. Statthalterpalastes. Während die Keramik des Gebäudes A 1 ins 7.–6. Jh. v. Chr. zu datieren ist, decken die Begehungsniveaus des Nordost-Palastes den Zeitraum vom 9. bis 6. Jh. v. Chr. ab.
Abgesehen von der vorherrschenden Standardware ist die Keramik aus Gebäude A1 durch vielfältige Belege von Geschirr aus Feinkeramik, darunter eine größere Anzahl von Bechern der sogenannten »Palastware«, gekennzeichnet. Die Keramik aus dem Nordost-Palast ist demgegenüber durch große Flaschen, Vorratsgefäße und Töpfe geprägt, die dem funktionalen Kontext der Lagerung und vielleicht auch der wirtschaftlichen Produktion des Palastes zugehörig sind (Abb. 2 ,3 ,4).
Besondere Erwähnung verdient weiterhin eine Reihe von Beispielen polychromer Schmelzfarbenkeramik, die in ihren Formen und Dekoren sehr enge Entsprechungen im spätassyrischen Assur haben und vermutlich Importe aus dem assyrischen Kernland darstellen. Insgesamt läßt die Keramik der neuassyrischen bis »postassyrischen« Zeit vom Tell Halaf jedoch ein hohes Maß an Standardisierung erkennen, wie sie für die Produktion von Massenkeramik unabdingbar ist. Wie auch an anderen Orten des Assyrischen Reiches ist zudem am Übergang von der neuassyrischen zur »postassyrischen« Zeit kein deutlicher Bruch in der keramischen Sequenz erkennbar. Die Vielfalt und gute Stratifizierung der Rauminventare aus den neuen Grabungen am Tell Halaf bieten aber sehr gute Voraussetzungen, um mittels datenbankgestützter qualitativer und quantitativer Waren- und Formenanalysen die chronologische Entwicklung der jüngereisenzeitlichen Keramik am Oberen Habur zunehmend deutlicher herauszuarbeiten.

1Fragmente der sog. Rillenkeramik (Foto: L. Simons)
2Neuassyrisches Keramikinventar aus Raum D des Nordost-Palastes (Foto: G. Mirsch)
3Neuassyrisches Vorratsgefäß (Foto: G. Mirsch)
4Fragment eines großen glasierten Bechers aus Raum E des Nordost-Palastes (Foto: G. Mirsch)