Tell Halaf Grabungsprojekt
DEU / ENG

Architektur

Dr. Jörg Becker, Dr. Lutz Martin und Prof. Dr. Mirko Novák

Prähistorische Architektur
Durch die neuen Forschungen konnten weitere Erkenntnisse zu der prähistorischen Siedlung und Architektur gewonnen werden. Diese wurden durch Ausgrabungen am Nordhang und Untersuchungen im Bereich des West-Palastes erzielt. Bisher konnten fünf Rundbauten freigelegt werden, die charakteristisch für die Architektur der Halaf-Zeit sind (Abb. 1). Sie besitzen einen rechteckigen Anbau, ihr Innendurchmesser liegt meist zwischen 3-5m, bisweilen bei 7m. Die größeren Rundbauten bilden den auch andernorts gut belegten Haustyp, der zu Wohn- und Arbeitszwecken von Kleinfamilien diente. In Freiflächen innerhalb der Siedlung, die intensiv genutzt wurden, fanden sich kleinere Rundbauten, die am ehesten als Speicher oder auch Öfen genutzt wurden.
Auch die nachfolgende Stufe des Halaf-Obed-Übergangs lässt sich stratigraphisch auf kleinerer Fläche fassen und besteht derzeit aus eher rechteckigen Gebäuden. Wahrscheinlich zeichnet sich damit am Übergang Halaf/Obed ein Wandel von den Rundbauten der Halaf-Zeit zu rechteckigen Bauten der nordmesopotamischen Obed-Zeit ab.
Die darauffolgende Obed-Zeit konnte noch nicht mit klaren Baubefunden festgestellt werden.

Die Architektur der Eisenzeit
Die aramäische Stadt weist eine rechteckige Form mit einer Ausdehnung von ca. 1000m in Ost-West- und 600m in Nord-Süd-Richtung auf. An der Nordseite erstreckt sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Fluss die etwa 6 Hektar große Zitadelle der Stadt (Abb. 2). Während die Unterstadt nur punktuell untersucht wurde, konzentrierten sich die großflächigen Ausgrabungsarbeiten auf die Zitadelle. Deren Struktur scheint durch Kapara maßgeblich verändert worden zu sein. Dabei wurden u.a. Ahnenkultplätze überbaut und Orthostatenreliefs von einem nicht lokalisierten »Tempel des Wettergotts«, entfernt und sekundär am »Westpalast«, auch als Hilani bekannt verbaut. Der Westpalast ist auf einer ca. 5 m hohen Lehmziegelplattform errichtet worden, die im Norden in eine ca. 3 m tiefe Baugrube gesetzt wurde (Abb. 3). Hinweise auf die von Oppenheim erwähnten Reste eines Altbaus, auf dem der West-Palast errichtet worden ist, ergaben sich aus den neuen Grabungsbefunden nicht. Das »Skorpionentor« und sehr wahrscheinlich auch das jüngere Burgtor sind offenbar auch in der Regierungszeit des Kapara erbaut worden. Die Zitadelle war bereits spätestens seit der Zeit Kaparas nicht nur gegenüber der Unterstadt fortifikatorisch abgetrennt, sondern auch in sich in mindestens zwei separate Bereiche unterteilt. Welche Funktion dabei der äußere Bereich der Zitadelle zwischen Burgtor und Skorpionentor ausübte, kann gegenwärtig nicht entschieden werden. Diese Struktur einer Zitadelle findet ihre Parallele in Sam’al / Zincirli.
Ein Gebäude, das vormals von den Ausgräbern als »Wohnpalast« gedeutet und in die aramäische Zeit datiert wurde, konnte aufgrund der aktuellen Untersuchungen als neuassyrisch identifiziert werden. Hierbei handelt es sich um den „Nordostpalast«, der in der Zeit der neuassyrischen Herrschaft als Residenz des Statthalters genutzt wurde. Der Palast sitzt auf einer großen Lehmziegelterrasse, deren vollständiges Ausmaß noch nicht ermittelt werden konnte (Abb. 4).
Auffälligerweise ist in Tell Halaf bislang erst ein Sakralbau bekannt, der außerhalb der Zitadelle in der westlichen Unterstadt liegt und in die Zeit der assyrischen Herrschaft, vermutlich das 8. Jh. v. Chr., datiert werden kann. Aus der Zeit der Selbstverwaltung hingegen ist kein Tempel bekannt.

1Prähistorische Rundbauten (Foto: G. Mirsch)
2Gesamtplan der Ruinen erstellt von K. Müller 1913 (aus: Novák 2011, Abb. 47)
3Südbereich des Nordost-Palastes nach den Ausgrabungen 2010 (Grabungsbereich C) (Foto: L. Simons)
4Skorpionentor nach den Ausgrabungen 2006 (Grabungsbereich A) (Foto: G. Mirsch)